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Abwechslungsreich, anspruchsvoll, angesagt? – Die Digitalisierung des Bauberufs

Elena Höppner
von Elena Höppner Content MarketingPubliziert am 02.12.2021

Mit dem vierbeinigen Spot-Roboter Vermessungen auf der Baustelle ausführen, schwere Baumaterialien in die Hände eines humanoiden Roboters legen oder das geplante Gebäude noch vor dem Bauprozess als 3D-Modell virtuell visualisieren – die Möglichkeiten neuer Technologien in der Baubranche scheinen unbegrenzt. Zumindest theoretisch.

Während der Begriff der Digitalisierung vor einiger Zeit und seinem eigentlichen Ursprung nach zunächst einmal die Umwandlung analoger Inhalte in digitale Daten meint, geht von ihm heute eine deutlich weitreichendere Bedeutung aus. Im Vordergrund steht nun die Vernetzung digitaler Daten zu einem Gesamtsystem und die Entwicklung komplexer, digitaler Prozessabläufe. Dies geht von Software zur Unternehmenssteuerung über 3D-Darstellungsmöglichkeiten und virtueller Realität bis hin zu immer lernfähigeren Robotern.

Während digitale Prozesse mit rasanter Geschwindigkeit in viele Bereiche unseres Lebens vorgedrungen sind, ging es in der Baubranche lange Zeit eher schleppend voran. Inzwischen sind digitale Technologien jedoch mehr und mehr im Zuge, die verschiedenen Bereiche des Bauwesens zu durchdringen – einige sprechen in diesem Zusammenhang von einer digitalen Umwälzung der Baubranche. Dabei bildet Bausoftware mit der Möglichkeit, Daten zur Baudokumentation, Rapportierung oder Projektplanung miteinander verknüpft an einem zentralen Ort zu speichern, gewissermassen das Paradebeispiel für die zunehmende Digitalisierung. Neben der einfachen und schnellen Informationsübermittlung an Mitarbeitende, ist so eine automatische Auswertung der Daten möglich, wodurch sich Probleme oder Muster erkennen lassen. In eine ähnliche Richtung geht beispielsweise das IoT, das Internet of Things. Durch eine Verbindung der am Bau beteiligten Geräte mit dem Internet können Daten über Aktivitäten, Leistungen und Bedingungen auf der Baustelle erfasst und an eine zentrale Plattform gesendet werden. So lassen sich deutlich schneller deutlich grössere Datensätze generieren, die anschliessend durch Software-Lösungen ausgewertet werden können.

Über die Datenorganisation und -auswertung hinaus lässt sich die BIM-Technologie als Beispiel für erhebliche Fortschritte in Bezug auf die Visualisierung von Bauprojekten nennen. Von der Konstruktion über den Betrieb bis hin zur Instandhaltung wird der gesamte Lebenszyklus von Objekten abgedeckt. So kann das Projekt schon vor Baubeginn mit all seinen Eigenschaften als 3D-Modell dargestellt werden, in dem spätere Änderungen einfach möglich und nachvollziehbar sind.

Die eindrücklichsten Beispiele digitaler Technologien finden sich sicherlich im Bereich der Robotik und der künstlichen Intelligenz. Roboter, die aus Ziegeln selbstständig Mauern errichten oder zum Tragen schwerer Materialien eingesetzt werden können, sind der Beginn, immer lernfähigere Systeme zu schaffen. Besonders eindrucksvoll ist vermutlich der in Boston entwickelte Spot-Roboter, ein hundeähnlicher Laufroboter, der unwegsames Gelände und Treppen überwinden und für Vermessungsarbeiten und Objektüberwachung eingesetzt werden kann. Während automatisierte Systeme in der Lage sind, Aufgaben eigenständig und wiederholt auszuführen und somit anstrengende oder zeitaufwändige Prozesse im Vergleich zum Menschen schneller und präziser auszuführen, entsteht mit KI die Möglichkeit, dass Aufgaben und Probleme selbstständig gelöst werden können. Dies umfasst beispielsweise das Erkennen von Bildern und Objekten und damit die Identifikation von Mustern in immer grösser werdenden Datenmengen.

Doch was bedeuten all diese durch digitale Technologien eröffneten Möglichkeiten nun konkret für die Bauwirtschaft? Ähnlich wie in anderen Branchen, in denen digitale Prozesse bereits Einzug gehalten haben, ist von deutlichen Effizienzsteigerungen auszugehen. Führen automatisierte Prozesse doch dazu, dass Aufgaben schneller, präziser, mit weniger Fehlern und rund um die Uhr ausgeführt werden können. So konnte Halter, ein Schweizer Unternehmen für Bau- und Immobilienleistungen, gemäss Diego Frey, dem Leiter für Engineering, durch digitale Technologien schon im Jahr 2020 seine Kosten im Vergleich zum analogen Zeitalter um 10 bis 20 Prozent reduzieren. Selbiger geht davon aus, Kosten und Bauzeit in einigen Jahren um ganze 30 bis 40 Prozent senken zu können. Eine Studie aus Grossbritannien kommt zu dem Ergebnis, dass durch den Einsatz von BIM-Technologien in Grossbritannien bereits in den Jahren 2013 und 2014 ungefähr 800 Millionen GBP Baukosten eingespart werden konnten. An dieser Stelle wird deutlich, welch massive Potenziale digitale Technologien in der Baubranche in Bezug auf Kosten und Arbeitszeit bieten – und welchen Vorsprung diejenigen erlangen, die sie zuerst erfolgreich implementieren.

Die Relevanz effizienter Prozesse in der Baubranche bekommt noch eine ganz andere Dimension, wenn man sich die wirtschaftliche Bedeutung des Bauwesens bewusst macht. So macht das Baugewerbe rund sechs Prozent des weltweiten BIPs aus und ist darüber hinaus ein bedeutender Wachstumsfaktor: Beispielsweise generiert in Grossbritannien jedes am Bau investierte Pfund knapp das Dreifache an wirtschaftlicher Leistung. Prognosen zufolge wird die Bedeutung der Bauwirtschaft in den nächsten Jahren und Jahrzehnten sogar noch deutlich zunehmen: Bis 2030 wird sich demnach die weltweite Bauleistung im Vergleich zu 2014 um geschätzte 85 Prozent erhöhen. In Anbetracht dessen liegt auf der Hand, dass es nicht ausreicht, nur nach den Methoden zu verfahren, die bisher funktioniert haben. Es ist offensichtlich, welche Chancen die Investition in digitale Innovationen bietet, um nachhaltig effiziente Prozesse zu erschaffen – und die Schweizer Baubranche auch im internationalen Vergleich konkurrenzfähig zu halten.

Neben den wirtschaftlichen Chancen digitalisierter Prozesse bleibt abschliessend die Frage der dadurch veränderten Arbeitsbedingungen und -qualität zu klären – die in Anbetracht des steigenden Fachkräftemangels durchaus zentral ist und somit letztendlich auch als wirtschaftliche Frage betrachtet werden kann. Es ist davon auszugehen, dass sich durch die zunehmende Digitalisierung bisherige Aufgabenfelder verschieben. So werden repetitive Arbeiten wie beispielsweise Vermessungen, Kontrollarbeiten oder Datenerfassung und -organisation vermehrt durch digitale Prozesse ersetzt oder zumindest in weiten Teilen unterstützt werden können. Damit verbunden ist die Frage, wie sich in Zukunft die Berufsbilder verändern und welche neuen Anforderungen sich für die Mitarbeitenden im Baugewerbe ergeben. Schliesslich bringt der Einsatz neuer Technologien mit sich, dass diejenigen, die sie einsetzen, auch mit ihnen umgehen können. Demensprechend braucht es mehr Mitarbeitende mit verstärkt technischen Kompetenzen; die zukünftigen Berufsbilder werden also wesentlich technologieaffiner ausfallen. Dies macht Berufe in der Baubranche zukünftig sicherlich anspruchsvoller – somit allerdings auch attraktiver. Schliesslich sind es vor allem die körperlich anstrengenden Tätigkeiten und mühevolle Routineaufgaben, die automatisiert werden. Damit ist zu erwarten, dass durch den zunehmenden Einsatz digitaler Prozesse, dem Wegfall anstrengender und zeitraubender Routineaufgaben und dem Aufkommen technisch anspruchsvoller Tätigkeiten der Bauberuf auch für die jüngeren Generationen wieder an Attraktivität zunehmen kann.